Warum ich!?

„Warum ich!?“- diese Frage stellt sich wohl jeder, der jemals von einer Krankheit egal welcher Art betroffen war oder ist … Warum hat es ausgerechnet mich getroffen!?

Auch ich habe mir diese Frage während und auch nach meiner Erkrankung sehr oft gestellt – und ich konnte sie nicht beantworten… Aber ich kann mir aufgrund meiner Überlegungen denken wie es dazu kam, dass die Krankheit sich so ausgewirkt hat beziehungsweise wie es möglich war, dass ich aufgrund meiner Erkrankung  nicht mehr bewusst am Leben teilnehmen konnte.

Meiner Meinung nach spielen hier mehrere Faktoren eine Rolle. Einerseits ist es die „vererbte Verletzlichkeit“, die einen wesentlichen Anteil daran nimmt, dass eine Depression entsteht. Wie es Dr. Jan Di Pauli (Primar im LKH Rankweil) beschreibt: „Ein Mensch mit heller Haut bekommt leichter Sonnenbrand. So verhält es sich auch mit manchen Menschen, welche empfindlicher für Belastungen sind. Und diese Empfindlichkeit – Vulnerabilität- kann vererbt werden.

Ein zweiter wichtiger Faktor spielt meiner Meinung nach die Persönlichkeit/der Charakter eines Menschen. Ich von mir kann zum Beispiel sagen, dass ich bereits als Kind sehr ehrgeizig und perfektionistisch war und mich diese Eigenschaften auf meinem Weg  begleitet haben. Ich wollte immer alles nicht nur gut, sondern ausgezeichnet machen. Höher, weiter, schneller, das ist ein Motto, dass ich immer gelebt habe und mich dadurch schon seit ich ein Kind bin sehr unter Druck gesetzt habe. Ich wollte, nein sogar „musste“ in meinen Augen sowohl schulisch als auch sportlich (im Handball) immer eine, wenn nicht sogar die Beste sein.

Darüber hinaus hat bei mir die Vorbildfunktion meiner Eltern eine tragende Rolle gespielt. Beide meiner Eltern haben ihr Studium zum Lehramt absolviert und mein Vater hatte eine angesehene Position als „Leiter der Sportabteilung“ Dornbirn angenommen. Es waren große Fußstapfen in die ich treten wollte und natürlich wollte ich meine Eltern stolz machen und sie durch meine schulischen und auch sportlichen Leistungen beeindrucken und ihre Aufmerksamkeit gewinnen. Meine Eltern waren und sind für mich immer sehr wichtig gewesen und ich wollte unbedingt eine Tochter sein auf die sie stolz sein konnten und wollte sie daher mit meinen Leistungen beeindrucken. Diesen Aspekt der Kindheitsentwicklung und des daraus resultierenden Stress werden auch von Dr. Jan Di Pauli als eine der Ursachen für eine psychische Erkrankung erwähnt.

Die Summe dieser erwähnten Faktoren setzte mich unter einen enormen Druck – denn ich wollte beweisen, dass ich – Christina- „perfekt“ bin. Ich wollte den Menschen in meinem Umfeld zeigen, dass ich alles schaffen kann und dass ich meinen Weg mache, komme was wolle. Aber ich hatte dabei vergessen, dass es nicht möglich ist „perfekt“ zu sein und dass es ohne Pausen und Durchatmen nicht auf Dauer funktionieren kann. Dr. Jan Di Pauli führt ebenfalls an, dass die zunehmende Schnelllebigkeit den Stress ansteigen lassen und mit zu einem „Burn-out“ beitragen kann.

In meiner Entwicklung  gab es öfters Anzeichen/ Warnzeichen, die mir zeigen wollten, dass ich auf dem besten Weg war mich zu überfordern. Ich hatte extreme Angst davor zu versagen, insbesondere bei Prüfungen und auch bei wichtigen sportlichen Ereignissen. Das führte dann dazu, dass ich oft vor Prüfungen nicht schlafen konnte und die Gedanken ständig um mein mögliches „Versagen“ kreisten. Schlechte Noten oder eine unbefriedigende Leistung im Handball wirkten bei mir nach und ich zerbrach mir oft noch viele Tage, wenn nicht sogar Wochen den Kopf darüber. Diese Ängste waren sehr stark und ich habe bereits im Jugendalter und auch auf meinem Weg zur Matura therapeutische Unterstützung benötigt.

Auf meinem Weg gab es immer wieder Phasen in denen ich spürte, dass ich nicht mehr konnte – dass ich keine Energie mehr hatte so weiterzumachen. Das resultierte darin, dass ich zum Beispiel ein Jahr „Pause“ von meiner schulischen Ausbildung nahm um wieder Kraft für den „Endspurt „ zur Matura zu bekommen. Ein weiterer herber Rückschlag für mich und mein Idealbild von mir war, dass ich kurz vor Ende meines Studiums der Physiotherapie abbrechen musste, weil ich psychisch nicht mehr in der Lage war, die Ausbildung zu beenden. Das zuzugeben und diesen Schritt zu gehen war eine enorme Belastung für mich, denn für mich war ich eine Versagerin…. Ich war in meinen Augen schwach und habe mich sehr dafür geschämt.

Aber ich habe trotzdem weitergemacht und wollte unter allen Umständen meine Vorstellung von einem „perfekten“ Leben in die Tat umsetzen… Diese Vorstellung bedeutete, dass ich eine Ausbildung absolvieren wollte, eine schöne Wohnung und eine funktionierende Beziehung und Kinder haben wollte und dass ich natürlich auch optisch meinem Idealbild entsprechen wollte…

Somit entschloss ich mich dazu die Bankausbildung der Hypo Vorarlberg zu absolvieren, was ich auch wieder mit Auszeichnung geschafft habe. Dank der Unterstützung meiner Eltern war es auch möglich meinen Traum von der eigenen Wohnung in die Realität umzusetzen und ich lernte meinen Freund – heute Mann – Andi kennen, mit dem meine Vorstellung einer gemeinsamen Familie zum Greifen nah war.

Doch dann kam der Schock- ich war nicht glücklich beziehungsweise hatte noch immer nicht das Gefühl zufrieden zu sein. Ganz im Gegenteil – es war als ob mir jemand den „Stecker“ gezogen hatte. Ich war am Ende… Ich konnte nicht mehr… Ich war leer… Und was dann kam könnt ihr in meinem Beitrag „Die Dunkelheit holt mich ein“ lesen….

Wenn ich jetzt darüber nachdenke dann glaube ich einfach, dass diese Idee von meinem „perfekten“ Leben eine Vorstellung war, die ich aufgrund der Interpretation der Gesellschaft- wie ein „perfektes“ Leben auszusehen hat entwickelt habe. Was ich dabei aber vergessen habe ist auf mich selbst und auf meine Bedürfnisse zu achten – Ich habe mich selbst auf diesem Weg verloren… Ich war wie ich auch schon in anderen Beiträgen beschrieben habe wie ein „Hamster im Rad“ der zwar rennt, aber trotzdem nicht vorwärts kommt. Zwar hat mir meine Psyche und auch mein Körper oft versucht zu zeigen, dass das nicht das Ziel sein konnte, dass ich alles und noch mehr dafür gebe diese Illusion eines „perfekten“ Lebens umzusetzen, aber ich wollte nicht darauf hören. Ich bin überzeugt, dass einige Betroffene das Gleiche oder Ähnliches zu berichten haben, wenn sie darüber nachdenken, wie es zum Ausbruch beziehungsweise zur Eskalation der Erkrankung gekommen ist.

Erst der totale Zusammenbruch hat mir gezeigt, dass ich so nicht weitermachen kann und dass sich etwas ändern muss – zu allererst meine Vorstellung von mir und wie ich zu sein habe beziehungsweise wie meine Welt zu sein hat, dass sie und ich „perfekt“ sind.

Seit nun schon ca. zwei Jahren (für mich beginnt dieser Weg – diese Erkenntnis erst nachdem ich wieder dank der EKT Behandlungen bewusst am Leben teilnehmen kann) gehe ich nun diesen Weg – diesen Weg zum Leben – den Weg zu meinem Leben. Sowohl beruflich als auch privat versuche ich das Leben „leichter“ zu nehmen und mir „Fehler“ einzugestehen und zu erlauben. Ich versuche, dass ich meine Vorstellung davon finde, was für mich wichtig ist im Leben und was mich glücklich macht – und das ist gar nicht so leicht…. 😉 Ich habe schon vieles ausprobiert und bin immer noch dran… und ich bin auch überzeugt davon, das diese Reise mein ganzes Leben geht… Aber eines weiß ich definitiv, das Wichtigste, das es für mich in meinem Leben gibt und das was mir am meisten Kraft gibt und mich zum Lachen bringt , das ist meine Familie, das sind meine Freunde und das sind meine Tiere… An dieser Stelle möchte ich von ganzem Herzen sagen  „Schön, dass es euch gibt!“

Quelle: Zitate von Dr. Jan Di Pauli aus Wann und Wo Artikel Sonntag 26.11.2017 „Neubau der Psychiatrie ist erforderlich“

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