„Konfrontation“

Dieses Thema spielt bei mir aktuell eine sehr große Rolle…

Ich habe mich dazu entschlossen mich nochmals mit meiner Geschichte – insbesondere der Zeit die wie ich schon in meinem Beitrag „der Schleier des Vergessens“ erwähnt habe bewusst zu konfrontieren. Denn für mich ist es die Strategie, die mir ermöglicht mein Leben jeden Tag wieder zu schätzen und dankbar dafür zu sein was ich alles habe, da ich mir durch diese Konfrontation immer wieder in Erinnerung rufe, dass es nicht selbstverständlich ist und ich auch schon andere Zeiten erlebt habe.

Letzte Woche habe ich mich daher gemeinsam mit meiner kleinen Tochter Zoe auf den Weg nach Rankweil in die Psychatrie gemacht um mich nochmals persönlich bei Primar Dr. Jan Di Pauli und seinem Team – insbesondere den Pflegern der Station O3 – auf der ich selbst eine längere Zeit verbracht habe zu bedanken. Ich habe mich auch nochmals mit Dr. Jan Di Pauli über meine Behandlung die EKT – Therapie unterhalten und darüber, wie sie durchgeführt wird. Ich möchte mich auf diesem Weg nochmals dafür bedanken, dass ich Mitte April die Möglichkeit habe mit ihm meine Geschichte zu rekonstruieren und er mich dabei unterstützt meinen Krankheitsverlauf und die Zeit an die ich mich nicht mehr bewusst erinnern kann gedanklich nachzustellen.

Auch der Besuch auf der Station war für mich eine weitere Möglichkeit mir in Erinnerung zu rufen, dass ich schon andere Zeiten erlebt habe und ich mir damals nie hätte träumen lassen, dass ich eines Tages mit meiner zweiten Tochter nur „zu Besuch“  kommen kann. Ich bewundere die Pfleger und Pflegerinnen sehr und weiß, dass sie täglich sehr viel leisten und oft mit schwierigen Situationen konfrontiert werden. Denn leider haben nicht alle Patienten das Glück, dass sie wieder in ihr Leben finden und soweit stabil sind, dass sie wieder ein selbstständiges Leben führen können.

Dr. Jan Di Pauli hat ebenfalls meinen Blog gelesen und ist sehr beeindruckt davon, wie ich mit meiner Geschichte und den Erlebnissen aus dieser Zeit umgehe. Er hat zwar mehrere Patienten bei denen die Behandlung auch sehr erfolgreich war und die sich bei ihm dafür bedankt haben, doch aus Erfahrung vermeiden es die meisten diese Erlebnisse und ihre Krankheit öffentlich zu machen. Es hat ihn daher auch interessiert, wie denn die Reaktionen auf meinen Blog waren und ich konnte erwidern, dass die Resonanz durchaus positiv war und ich es nicht bereue diesen Schritt gemacht zu haben.

Klar war es für mich eine große Überwindung die „Bombe“ platzen zu lassen, aber ich persönlich würde es definitiv wieder so machen. Denn durch meinen Blog ist für mich der Umgang mit meiner Krankheit und meiner Geschichte viel einfacher geworden und das schriftliche Festhalten dieser Erfahrungen hatte für mich eine sehr befreiende Wirkung. Es hat mir den Druck genommen ständig gewisse Themen – insbesondere meine Narbe an meinem Knöchel welche durch meinen zweiten Suizid-Versuch entstanden ist zu verschweigen beziehungsweise Geschichten zu erfinden, die die Narbe erklären. Denn vor meinem Schritt an die Öffentlichkeit habe ich vielen gesagt, dass die Narbe entstanden ist, weil ich die Treppe runtergefallen bin.

Das Beitragsbild, das ich für dieses Thema gewählt habe spiegelt für mich wieder, dass es nur dann möglich ist zu „fliegen“ und frei zu sein, wenn man sich vom Balast befreit und dazu gehört für mich insbesondere der Druck die Krankheit vor den anderen zu verstecken.

Natürlich ist mir klar, dass mein Weg und meine Art mit meiner Krankheit umzugehen nicht für jeden die richtige Lösungsstrategie ist. Viele und dazu habe ich auch sehr lange gehört schämen sich dafür „krank“ zu sein und versuchen zu vermeiden, dass andere merken, dass sie an einer psychischen Erkrankung leiden. Ich wollte auch lange nicht wahr haben, dass ich „krank“ bin doch irgendwann habe ich erkannt, das eben dieses „Versteckspiel“ mich noch mehr belastet und mir noch mehr von meiner Freiheit und der Möglichkeit mich selbst zu entdecken nimmt. Denn wenn ich ständig versuche so zu sein wie andere mich gerne hätten beziehungsweise wie ich glaube, dass ich sein sollte kostet das sehr viel Energie und insbesondere bei jemandem, dessen Vulnerabilität hoch ist kann das schnell in eine Abwärtsspirale führen. Seit ich mich sozusagen „geoutet“ habe ist es für mich viel leichter offen mit anderen zu reden und ich habe auch schon sehr viele tiefe und schöne Gespräche mit anderen Betroffenen gehabt, die sonst wahrscheinlich nicht möglich gewesen wären.

Es gibt inzwischen sehr viele, die Ähnliches erlebt haben oder die Personen kennen, die ebenfalls an Depressionen gelitten haben oder leiden und je offener wir alle mit diesen „Tabuthemen“ umgehen desto leichter wird es meiner Meinung nach auch für andere zu akzeptieren, dass sie sich dafür nicht schämen müssen. Die Belastungen und Erwartungen die täglich an uns gestellt werden sind hoch und wenn wir zusätzlich noch die Veranlagung haben kann es dazu führen dass wir erkranken.

Es ist meiner Meinung nach sehr wichtig, dass diese Erfahrungen und auch die Ängste mit anderen geteilt werden können und man nicht das Gefühl hat sich dafür verstecken zu müssen. Ich freue mich daher immer wieder, wenn ich mit anderen meine Erfahrungen austauschen kann und ich das Gefühl habe nicht allein zu sein.

Ich hoffe, dass mein Blog dazu beitragen kann, dass die Themen Depression und Suizid nicht weiter verschwiegen werden und vielleicht ein paar Betroffene dadurch den Mut und die Kraft bekommen offen mit ihrer Erkrankung umzugehen.

Ich muss zugeben, dass dieser Besuch in der Psychatrie nicht einfach für mich war und ich sehr gut verstehen kann, wenn andere Betroffene es vermeiden nochmals an diesen Ort zurückzukehren. Doch dank dieser Konfrontation ist es mir möglich Schritt für Schritt die Ungewissheit was denn in dieser Zeit alles passiert ist zu beheben das wiederum trägt dazu bei, dass ich meinen Weg zum Leben weitergehen kann…. 🙂

Eure Christina

Vidar Nordli Mathisen 575705 Unsplash

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