Nicht nur im Film, der aktuell im Kino läuft, sondern auch sonst hört man immer wieder von „Wunder“. Das hat mich dazu gebracht einmal darüber nachzudenken was für mich ein Wunder beziehungsweise Wunder sind und ob ich selbst schon welche erlebt habe. Die Gedanken und Vorstellungen, die ich dabei gehabt und gewonnen habe möchte ich gerne in diesem Beitrag mit euch teilen.
Vergangenen Freitag habe ich mit meiner Tochter Zoe einen Kurzausflug nach Innsbruck gemacht um mich dort mit einer guten Freundin und ihrer Familie zu treffen. Auf dem Weg dahin – ich bin selbst mit dem Auto gefahren habe ich den Roppenertunnel passiert. Den Tunnel, in dem ich in der Zeit als mich das Dunkel eingeholt hat (Beitrag „Die Dunkelheit holt mich ein“) versucht habe mir das Leben zu nehmen. Ich kann mich zwar nur aus Erzählungen an den Unfallhergang erinnern, aber dennoch erscheint es mir wie ein Wunder, dass ich diesen Sprung aus dem fahrenden Auto vor einen Lastwagen überlebt habe. Nicht nur, dass ich mir „nur“ den Fuß ausgerenkt habe und ansonsten nur Schürfwunden hatte, nein auch dass der Lastwagenfahrer so aufmerksam war, dass er bemerkt hat, dass ich an der Tür hantiere und langsamer geworden ist, das ist für mich im Nachhinein ein Wunder. Denn nur dadurch war es ihm möglich anzuhalten bevor er mich buchstäblich überfahren hätte. Diese Gedanken haben mich beschäftigt und beschäftigen mich immer noch und ich bin sehr dankbar dafür, dass in dieser Situation viele „Zufälle“ – ich nenne es auch gerne „Schutzengel“ – zusammengespielt und geholfen haben, dass ich jetzt noch hier sein kann. Das ist das größte Wunder, welches mir bisher passiert ist.
Weitere Wunder – die ich nicht nur im Zusammenhang mit meiner Erkrankung, sondern auch allgemein als Wunder erkenne sind meine zwei Töchter Xenia und Zoe. Am Morgen neben ihnen aufzuwachen ist für mich eines der schönsten Gefühle, die man meiner Meinung nach haben kann. Leider konnte ich, wie ich auch schon in mehreren Beiträgen erwähnt habe die Geburt von Xenia und das erste halbe Lebensjahr von ihr nicht bewusst wahrnehmen, weil ich zu sehr in meinen Gedanken und Wahnvorstellungen gefangen war. Daher war das Wunder der Geburt (als ich sie dann endlich in meinen Armen halten konnte) von Zoe umso bedeutender für mich. Diese Geburt hat mir ermöglicht ansatzweise nachzuempfinden, wie glücklich (und ich bin davon überzeugt, dass ich innerhalb meines Gedanken- Gefängnisses sehr glücklich über die Geburt von Xenia war) ich auch bei meinem ersten kleinen Wunder Xenia war. Sie zeigen mir jeden Tag, dass auch Kleinigkeiten Freude machen können und sind das beste Beispiel dafür, wie man im Moment leben kann und präsent sein kann – ein Ziel, das ich auch gerne öfters erreichen würde. 😉 Natürlich muss ich an dieser Stelle ehrlich zugeben, dass ich auch oft sehr froh darüber bin, dass ich die Möglichkeit und Menschen um mich habe, dass ich auch Zeit für mich finde, denn ein Alltag mit Kindern kann ganz schön anstrengend sein. 😉 Doch sie sind und bleiben für mich die schönsten Wunder, die mir bisher in meinem Leben passiert sind und ich bin sehr glücklich darüber, dass ich mit meinem Mann Andi das Glück hatte zwei gesunde Mädchen zu bekommen die unser Leben definitiv bereichern.
Ein weiteres Wunder ist für mich, dass ich es dank der EKT Therapie geschafft habe wieder in mein Leben zurückzukehren beziehungsweise, dass ich die Möglichkeit bekommen habe meinen Weg zum Leben gemeinsam mit der Unterstützung meiner Psychotherapeutin Irmgard und vielen anderen lieben Menschen zu finden. Ich selbst hätte am wenigsten daran geglaubt, dass ich jemals wieder in der Lage sein werde aktiv am Leben teilnehmen zu können und dabei Freude zu empfinden. Aber ich habe das Gefühl, dass ich erst durch diese schwere Zeit wirklich bewusst gelernt habe mein Leben genießen zu können und auch den „Tritt“ bekommen habe, der notwendig war, damit ich anfange mein eigenes Leben zu leben – ohne ständig zu versuchen in ein „perfektes“ Bild zu passen und es allen anderen Recht zu machen. Vor kurzem hat mir einer meiner Freundinnen gesagt, dass sie glaubt, dass solche Ereignisse und Erlebnisse im Leben so hart sie auch sind ihrer Meinung nach dazu führen können, dass man das Leben danach mit anderen Augen sieht und viel bewusster lebt. Natürlich bedeutet das nicht, dass man unbedingt mein Schicksal, oder das Schicksal anderer Menschen, die von psychischen Erkrankungen betroffen sind teilen muss – aber ich bin auch der Meinung, dass wir oft erst erkennen, was wir haben, wenn es mal nicht rund läuft, egal in welchem Bereich von unserem Leben. Solange alles so läuft wie „gewohnt“ gibt es für uns oft keinen Grund an uns zu „arbeiten“ oder zu schätzen, was wir alles haben. Ich finde es aber sehr wichtig, dass wir uns immer wieder vor Augen führen, wieviel wir haben und wie gut es uns geht. Ich selbst habe daher seit kurzem damit begonnen mir jeden Abend ein bis zwei Momente oder Ereignisse – oder auch Begegnungen- in einem „Tagebuch“ aufzuschreiben, die mir an diesem Tag gutgetan haben. Denn wer weiß, wenn es mal einen Tag gibt an dem man das Gefühl hat, dass alles schief läuft kann das vielleicht helfen trotzdem noch einen „Glücksmoment“ zu finden. Es ist für mich unglaublich, dass ich nun ohne Medikamente ein Leben führen kann, bei dem ich natürlich nicht immer nur vor Freude strahle – aber welches es mir ermöglicht das schätzen zu können und genießen zu können, was ich habe.
Die Menschen, die mir während meiner Erkrankung beigestanden und mich unterstützt haben – egal wie aussichtslos die Situation auch war – genau diese sind für mich ein sehr großes Wunder. Meine Familie –Andrea, Erwin, Jürgen, Markus und Michael, mein Mann Andi, das Pflege- Therapeuten und Ärzteteam des LKH Rankweil unter der Leitung von Primar Dr. Jan Di Pauli, das Pflege- Therapeuten und Ärzteteam der Uniklinik Innsbruck ,Dr. Zulfokar Al-Dubai, Dr. Markus Albrecht, Dr. Harald Geiger, Das Projekt GLL mit Ferdinand Lerbscher, Netzwerk Familie und Connexia, meiner Psychotherapeutin Irmgard Schertler, meine Freundinnen (die ich sehr oft vor den Kopf gestoßen habe), usw. Ich möchte mich auf diesem Weg nochmals dafür bedanken, dass ihr alles gegeben habt um mich zu unterstützen und für mich da zu sein, denn ihr habt alle einen großen Anteil daran, dass ich jetzt wieder im Leben stehe und die Möglichkeit habe meinen Weg zum Leben zu gehen.
Ich habe auf meinem bisherigen Weg vom Leben sehr viele liebe Menschen kennen gelernt und insbesondere seit ich so offen mit mir und meiner Geschichte umgehe treten immer mehr Menschen – Freunde – in mein Leben, mit denen ich mich austauschen kann und bei denen ich das Gefühl habe verstanden zu sein. Es gibt für mich nichts Schöneres, als wenn man offen und ehrlich über alles reden kann – denn oft stellt man dann gemeinsam fest, dass man die gleichen „Alltagsproblemchen“ hat und schon das Gefühl nicht alleine zu sein macht das Leben und den Umgang mit diesen „Problemchen“ ein großes Stück leichter. Es ist schön, dass ich das Glück habe so viele liebe Menschen zu kennen und ich hoffe, dass ich auch weiterhin viele kennenlernen werde.😊Dass ich die Möglichkeit habe das zu erleben und auch zu schätzen, das ist für mich ebenfalls ein Wunder.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich jedem, der auch von einer psychischen oder physischen Erkrankung betroffen ist wünsche, dass auch er das Glück hat, dass er irgendwann vielleicht sogar schon jetzt sieht, wie viele Wunder es in unserem Leben gibt und dass ein Wunder nicht immer bedeutet, dass sich alles verändern muss, sondern dass auch kleine Dinge oder Menschen in unserer Umgebung Wunder sind, die uns dabei helfen unser Leben genießen und bewusst erleben zu können. Wunder können tagtäglich geschehen, es ist nur oft sehr schwer diese bewusst wahrzunehmen und zu erkennen und als „Wunder“ zu definieren. Ich wünsche euch allen, dass ihr die Möglichkeit habt für solche Wunder offen zu sein und hoffe, dass ihr alle noch viele Wunder erleben werdet.
Alles Liebe
Eure Christina