„Leistung“ spielt in meinen Augen in unserer Gesellschaft eine sehr große und wichtige Rolle… Das Motto „höher, weiter, schneller scheint vielen von uns in die Wiege gelegt zu sein… Typisch für uns Vorarlberger ist auch die Aussage „schaffa, schaffa Hüsle baua“…
Wie ich bereits in vorherigen Beiträgen erwähnt habe, bin auch ich ein sehr leistungsorientierter und ehrgeiziger Mensch… Ich habe mir immer sehr hohe Ziele gesetzt und alles dafür gegeben, dass ich diese erreiche.
Das soll nicht bedeuten, dass das etwas Schlechtes ist, denn ich finde, dass es im Leben entscheidend ist Ziele zu haben und diese zu verfolgen, doch wiederum ist es sehr wertvoll hier eine Balance zu finden zwischen „Vollgas“ und Erholungsphasen.
Diese Balance war bei mir eindeutig nicht gegeben… Ich wollte sowohl schulisch, als auch sportlich immer eine der Besten sein und bin dabei sehr oft an meine Grenzen gestoßen. Anzeichen wie extreme Prüfungsängste, die mich oft nächtelang wachgehalten haben oder auch Ängste davor „versagen“ zu können waren für mich sehr bekannt. Diese Angst davor einen Fehler machen zu können oder nicht „perfekt“ zu sein hat mich ständig begleitet.
Auf der einen Seite verdanke ich diesen Ängsten, dass sie mir zu Höchstleistungen- sowohl schulisch als auch sportlich verholfen haben, doch auf der anderen Seite waren sie aus meiner Sicht auch entscheidend daran beteiligt, dass ich so tief gefallen bin. Denn ständig „getrieben“ zu sein und ständig Angst davor zu haben, dass irgendwann doch jemand erkennen könnte, dass man gar nicht so „perfekt“ ist wie man vorgibt das kann enorm Kraft und Energie kosten und schlussendlich dazu führen, dass die „Batterie“ leer ist.
Ich bin der Meinung, dass es sehr wichtig ist ein Leben zu leben, in dem man zwar versucht sein Bestes zu geben, aber auch daran denkt, dass das nicht gleich bedeutet, dass es nur zählt, wenn man auch eine der Besten ist. Ich musste auch lernen, dass es okay ist, wenn ich mal etwas nicht schaffe oder in meinen Augen nicht „perfekt“ bin.
Die erste Erfahrung, die ich mit „versagen“ hatte war im Teenageralter, als ich bei Hypo Niederösterreich in der Südstadt gespielt habe. Handballerisch war es sicher eine der besten Entscheidungen, die ich getroffen habe, denn ich habe in diesem Jahr im Leistungssportinternat sehr viel gelernt und bin meinen Trainern – insbesondere Loli Magelinskas und Ferri Kovacs noch immer sehr dankbar für diese Erfahrungen. Nur musste ich feststellen, dass ich eine zu große Sehnsucht zu minam Laendle beziehungsweise zu meiner Familie, meinen Freunden und meinem Umfeld hatte. Das zuzugeben und die Entscheidung zu treffen bereits nach einem Jahr wieder zurückzukehren ist mir damals nicht leicht gefallen denn in meinen Augen hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben „versagt“. Ich wollte doch eine berühmte und professionelle Handballspielerin werden und wo, wenn nicht in der Handballschule von Hypo Niederösterreich könnte ich dieses Ziel besser erreichen… Ich war sehr enttäuscht von mir, dass ich diese Chance nicht wahrnehmen konnte, sondern zugeben musste, dass ich dafür zu „schwach“ war (so habe ich das damals gesehen). Im Nachhinein gesehen war dieses Jahr in Niederösterreich ein Jahr, indem ich sehr viel dazu gelernt habe – nicht nur handballerisch, sondern auch für mich und meine persönliche Entwicklung. Ich habe sehr viele liebe Freundinnen kennengelernt und bin auch jetzt noch in Kontakt mit ein paar von ihnen speziell mit einer sehr lieben und guten Freundin von mir. Ich glaube, dass jede „Station“ im Leben etwas Gutes hat auch wenn man es zuerst nicht sehen kann – beziehungsweise das Gefühl „versagt“ zu haben überwiegt.
Als ich dann wieder im Laendle angekommen war habe ich sofort versucht wieder in den Alltag zu finden und bin auch gleich wieder in das nächste Schuljahr im Sportgymnasium eingestiegen. Doch ich habe keinen Anschluss gefunden – speziell in Mathe – da war ich leider nie ein Genie – war ich komplett überfordert – und die Erwartung an mich „perfekt“ zu sein war wiederum gefährdet. Es ging sogar soweit, dass ich gemeinsam mit meinen Eltern und meinem damaligen Therapeuten Dr. Josef Lipburger – das waren meine ersten Erfahrungen mit einem Therapeuten- beschlossen habe ein Jahr „Auszeit“ zu nehmen. Ich fühlte mich wiederum als „Versagerin“ und habe mich sehr dafür geschämt, weil ich das Gefühl hatte, dass jetzt alle denken, dass ich unfähig und schwach bin und diese Gedanken haben mich sehr beschäftigt. Jetzt denke ich, dass ich es definitiv nicht bis zur Matura geschafft hätte, wenn ich dort versucht hätte mich „durchzukämpfen“.
Wie ich jetzt bereits vorweggenommen habe, bin ich nach diesem Jahr „Auszeit“ wieder an die Schule zurückgekehrt und habe mit Unterstützung von Barbara Mäser (Coach, Lebens-/Sozialberaterin, Dipl. Mental-Coach, Krisenpädagogin, Sexualpädagogin)– die mich während der Zeit vor der Matura intensiv begleitet hat den Abschluss mit Auszeichnung geschafft. Doch es hat mich viel Kraft gekostet dieses Ziel zu erreichen – nicht nur physisch, sondern insbesondere mental und psychisch. Ich war müde und am liebsten hätte ich daher eine „Erholungspause“ gemacht – doch stattdessen habe ich beschlossen ein Physiotherapie- Studium in der Schweiz in Landquart zu beginnen. Die drei Jahre Theorie zu Beginn habe ich dank meinem Ehrgeiz und unzählbarer Stunden vor den Büchern und mit der Unterstützung meiner Fahrgemeinschaft sehr gut bewältigt. Doch dann kam das vierte Jahr meiner Ausbildung – die Praxis – und ich merkte sehr schnell, dass mich das überforderte. Es waren mehrere Aspekte, die mich „überfordert“ haben. Einerseits hatte ich ständig diese Stimme im Kopf, die mich angetrieben hat und die von mir verlangt hat immer 100% zu geben und möglichst keine Fehler zu machen und andererseits hatte ich dieses Bedürfnis allen meinen Patienten zu helfen – koste es was es wolle. Obwohl ich „nur“ Praktikantin war haben die Patienten sehr viel mit mir geteilt und diese sehr persönlichen Geschichten haben mich auch nach der Arbeit noch beschäftigt. Das hat dazu geführt, dass ich mir oft noch am Abend und auch in der Nacht Gedanken darübergemacht habe, wie ich diesen Menschen helfen kann und dabei selbst vergessen habe, dass ich auch Schlaf und Energie brauche um meinen Alltag zu bewältigen. Die erste Prüfung hat mir gezeigt, dass es trotz dem Vertrauen darauf, dass man sich auf „alles“ vorbereitet hat zu unvorhergesehenen Schwierigkeiten kommen kann und ich habe sie nur knapp bestanden. Ich habe dann versucht auch das zweite Praktikum „durchzuziehen“ – doch ich musste mich „geschlagen“ geben. Ich war am Ende meiner Kraft und nicht in der Lage mein Studium zu beenden.
Viele liebe Menschen – insbesondere meine Eltern, eine sehr gute Bekannte von uns (bei der ich eine Zeit in Innsbruck im Praktikum war und sogar die Chance bekam mit ihr nach Canada/Amerika zum Schi-Weltcup der Herren als Betreuung für das slowenische Nationalteam zu fahren) und viele andere haben noch versucht, mich von meiner Entscheidung, das Studium abzubrechen abzubringen, aber vergeblich. Im Nachhinein gesehen bin ich davon überzeugt, dass es für mich die richtige Entscheidung war, denn ich bewundere auch heute noch, was Physiotherapeuten täglich leisten und wie sie wie erwähnt damit umgehen, mit was sie täglich konfrontiert werden. Sie leisten tagtäglich einen unglaublichen Job.
Dank einer guten Freundin habe ich dann die Chance bekommen im Einzelhandel in der Schweiz zu arbeiten. Die Arbeit war sehr abwechslungsreich und hat mir sehr gut gefallen, doch der Gedanke daran, dass ich „keinen“ (außer der Matura) Abschluss hatte hat mich sehr belastet. Daher habe ich mich dann für eine Stelle bei der Hypo Vorarlberg in Dornbirn beworben. Dadurch hatte ich die Möglichkeit eine interne Ausbildung zur Bankkauffrau zu machen und meinen gewünschten Abschluss nachzuholen. Ich bin heute noch froh, dass ich mich dafür entschieden habe, denn die Arbeit in der Hypo Vorarlberg macht mir wirklich Spaß und ich werde auch nach der Karenz sicher wieder gerne an meine Arbeitsstelle zurückkehren.
Zusammenfassend kann man sagen, dass ich trotz den Erfahrungen, in denen ich das Gefühl hatte „versagt“ zu haben meinen Weg gefunden habe und jetzt mit Stolz sagen kann, dass ich das Leben führe, das ich mir vorgestellt habe. Auch wenn es ganz anders gekommen ist als „geplant“. Ich habe meinen Abschluss gemacht, habe den Beruf gefunden, der mir Spaß macht und bin stolze Mama von zwei wundervollen Mädchen. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei allen bedanken, dank denen dieses Leben möglich ist – insbesondere meinen Eltern, meinem Mann Andi, meinen Therapeuten, meinen Freunden und auch meinen Arbeitgebern. Ich weiß, dass ich es ohne eure Unterstützung nicht soweit geschafft hätte und dafür bin ich dankbar.
„Leistung“ – ich denke dieser Begriff ist sehr dehnbar – denn für jeden bedeutet „Leistung“ etwas anderes…. Für meine kleine Tochter Zoe ist es momentan zum Beispiel eine Leistung sich auf den Bauch zu drehen und ich denke das ist auch etwas, an dem wir ansetzen müssen. „Leistung“ bedeutet nicht immer die Beste zu sein, sondern sein Bestes zu geben und zu akzeptieren, dass gewisse Aufgaben oder Anforderungen nicht erfüllt werden können. Ich bin nicht „perfekt“ und ich musste lernen, dass ich es auch nie sein werde. Jeder Mensch hat seine Schwächen und diese machen ihn umso liebenswerter. Meinen Ehrgeiz und meine Anforderung an mich selbst alles mit vollem Einsatz zu machen gehören zu mir – ich lerne nur allmählich sie gezielt einzusetzen und sie bewusst zu steuern, was mir ein Leben ermöglicht, indem ich auch mal eine „Pause“ machen kann und nicht ständig das Gefühl habe, dass ich noch mehr leisten sollte und dass es nie genug ist.
Am Besten lernt man in meinen Augen, dass man nicht immer 100% oder sogar noch mehr geben muss, wenn man Kleinkinder beim Spielen beobachtet oder Tieren zusieht. Sie „sind“ einfach, ohne Gedanken daran zu verschwenden, was andere von ihnen denken könnten – und für mich ist es immer wieder wunderschön ihnen beim „Sein“ zuzusehen… 😊
Eure Christina