Gestern hatte ich wieder eines von meinen regelmäßigen Gesprächen mit meiner Psychotherapeutin. Bei jedem Besuch bei ihr nutze ich die Zeit um aktuelle Situationen und Erlebnisse/Gedanken „loszuwerden“ und sie hilft mir dabei den Hintergrund beziehungsweise die Ursache dafür zu verstehen, warum ich oft in Situationen anders reagiere, als ich gerne würde. Zusätzlich unterstützt sie mich dabei „verletzende, schmerzende“ Erfahrungen zu verarbeiten. Mir persönlich hilft es oft sehr viel diese Situationen nochmals von einem anderen „neutralen“ Blickwinkel zu betrachten.
Gestern „behandelten“ wir ein Thema, das mir immer wieder auffällt und beschäftigt- nämlich mein Umgang mit Kritik und Konfliktsituationen. Ich bin oft sehr überrascht darüber, wie ich, insbesondere nach dieser Phase der Depression mit Kritik umgehen kann… Nämlich „fast“ gar nicht….Kritik löst bei mir den „Urinstinkt“ aus und ich fühle mich sofort persönlich angegriffen und reagiere meistens mit einem „Gegenangriff“. Oft führt das zu heftigen Diskussionen und Streitgesprächen, die fast nie zu einem positiven Ergebnis führen, da ich mich nur immer weiter in meine Wut, meine Frustration flüchte und dadurch auch nicht mehr „neutral“ und „vernünftig“ wahrnehmen kann, was mein Gegenüber mir versucht zu sagen. Kurz gesagt meine Fähigkeit mit Kritik umzugehen könnte etwas Training nicht schaden. Diese „kaum vorhandene“ Frustrations-/ und Kritiktoleranz waren dann das Thema, mit dem meine Psychotherapeutin und ich uns gestern beschäftigten.
Um euch einen Einblick zu geben, wie ich unter ihrer Anleitung daran arbeite möchte ich in diesem Beitrag gerne den Ablauf des Gesprächs zusammenfassen… Zuerst hat mich meine Therapeutin darum gebeten mir eine bestimmte Situation, in der es zu einer „Eskalation“ gekommen ist vorzustellen und mich bewusst in diese „unangenehme“ Situation zu versetzen. Nachdem ich das getan hatte, hat sie mir ein Blatt Papier und ein paar Stifte gegeben und mir die Aufgabe gegeben die Gefühle, Emotionen, die mich gerade belasten in Form von Symbolen oder Formen aufzumalen. Entstanden ist ein düsteres, trauriges Bild mit einem Blitz, Regenwolken und einem traurigen Gesicht… In weiterer Folge sollte ich dieses Bild ansehen und fünf Wörter aufschreiben, die mir spontan in den Sinn kommen … Diese waren: Wut, Verzweiflung, Trauer, Sehnsucht und Angst. Meine Therapeutin wollte dann von mir wissen, welches dieser Wörter für mich das Wichtigste sei und sofort antwortete ich „Sehnsucht“. Sie hat mich dann anschließend darum gebeten, einen kurzen Text zu verfassen, indem diese fünf Wörter eingebaut sind. Das ist der Text: „Ein kleines Mädchen sehnt sich so sehr danach wahrgenommen, geliebt und akzeptiert zu werden, wie sie ist… Doch ihre Erfahrungen haben sie gelehrt ihre Wut- ihre Sehnsucht und andere Emotionen zu „verstecken“… Doch da ist diese Trauer- die Verzweiflung und diese große Angst- die Angst nicht sich selbst sein zu dürfen!“ Nachdem sie mir den Text nochmals vorgelesen hat war der Auftrag mir eine Situation vorzustellen, die für mich vollkommenes Glück bedeutet… Meine spontane Vorstellung war ein sonniger Tag im Ebnit bei unseren Pferden gemeinsam mit meinen zwei Töchtern Xenia und Zoe. Wiederum habe ich dann versucht mich mit all meinen Sinnen in diese Situation zu versetzen und wiederum ist daraus ein Bild entstanden. Doch dieses Bild war das komplette Gegenteil von dem vorherigen Bild. Es war farbenfroh und Sonne, Herzen, eine grüne Wiese, ein lächelndes Gesicht und ein fröhliches Mädchen drückten dieses Mal meine Gefühle und Empfindungen aus. Die fünf Worte, die mir spontan dazu eingefallen sind waren Liebe, Wärme, Freude, Akzeptanz und“ ICH“ (das auch das wichtigste Wort für mich war).Dann haben wir beide Bilder nebeneinander gelegt und sie hat mich gefragt, was ich jetzt empfinde und was ich jetzt am liebsten mit diesen Bildern machen würde. Sofort antwortete ich, dass ich am liebsten das erste, düstere und traurige Bild zerreißen würde… Und genau das ist der Punkt – das Dilemma, wie es meine Therapeutin nennt. Denn dieses düstere, traurige Bild- auch dieses Bild- das ich verständlicherweise am liebsten zerstören und vergessen würde ist ein Teil von mir….
Jeder nennt diesen Teil anders und es gibt viele Bezeichnungen dafür … Ich nenne diesen Teil gerne das „Schattenkind“, wie es auch in einem Buch, welches ich kürzlich begonnen habe zu lesen genannt wird – („Das Kind in dir muss Heimat finden“ – Der Schlüssel zur Lösung „fast“ aller Probleme- Stefanie Stahl). Darin wird eben beschrieben und das ist auch das, was mir meine Therapeutin erklärt hat, dass viele von uns in unserer Kindheit Erfahrungen machen, die uns das Gefühl geben nicht so sein zu können wie wir sind. Wir haben dann oft das Gefühl, dass wir uns verändern, anpassen müssen und „unerwünschte“ Teile „böse und unkontrollierbare“ Teile von uns „ wegsperren“ müssen… Und aus genau diesen „weggesperrten“ Teilen entsteht dann dieses Schattenkind – dieses „düstere, traurige“ Bild welches uns selbst unangenehm ist und uns sehr belastet. Aber dieser Teil gehört auch zu uns und je mehr wir versuchen diesen zu unterdrücken desto stärker versuchen die „vergrabenen und ignorierten“ Emotionen und Gefühle an die Oberfläche zu kommen… und das äußert sich dann oft in Wutausbrüchen und unkontrollierten emotionalen Reaktionen auf eine Kritik oder eine Konfliktsituation.
Oft versucht man dann diese „Leere“ beziehungsweise diese Unzufriedenheit mit etwas anderem auszugleichen oder durch einen anderen. Man hofft, dass irgendetwas – oder irgendwer kommt und unser „Schattenkind“ heilt, sodass wir endlich „befreit“ sind und nicht mehr das Gefühl haben , dass wir einen Teil von und verstecken müssen. Aus dieser Sehnsucht können dann Süchte und emotionale Abhängigkeiten insbesondere von Partnern entstehen. Nur der Punkt ist – niemand – weder eine Droge, ein neues Kleidungsstück, neue Schuhe, eine Heißhungerattacke… noch dein Partner können diese Sehnsucht/dieses tiefe Verlangen nach „Zufriedenheit und Einheit“ auf Dauer befriedigen. Diese Aufgabe bleibt an dir hängen… und das ist auch das, was mir meine Therapeutin gestern gesagt hat. Es ist eine harte, anstrengende und oft frustrierende Aufgabe, dieses „Schattenkind“ zu nähren – sprich ihm die Aufmerksamkeit und das Verständnis – das Gefühl gut zu sein wie es ist- zukommen zu lassen.
Aber wenn ich wirklich meinen Weg zum Leben finden will und ein Leben frei von Abhängigkeiten und Sehnsüchten, ständigen Frustrationen und Missverständnissen führen will – dann führt kein Weg daran vorbei… Und deshalb habe ich mich gestern gemeinsam dafür entschieden diese Aufgabe anzunehmen und zu ergründen, was mein „Schattenkind“ braucht und wie ICH ihm das geben kann…. Ich bin schon sehr gespannt zu welchen Erkenntnissen wir kommen und was mich dabei unterstützt diesen Weg aus der Isolation eines Teils von mir zu gehen….
Ich persönlich kann an dieser Stelle wiederum nur jedem, der durch diesen Beitrag oder andere Erzählungen etc… den Wunsch verspürt sich ebenfalls auf seinem/ihrem Weg helfen zu lassen nur raten, diese Hilfe auch anzunehmen… Denn meiner Meinung und Erfahrung nach kann Unterstützung auf dem Weg keinesfalls schaden… Ich bin wirklich dankbar dafür, dass ich eine Therapeutin gefunden habe, die das Talent besitzt mir auf eine verständliche Art und Weise Dinge und Tatsachen vor Augen zu führen, dass ich diese so sehr ich es oft auch wollen würde, nicht bestreiten kann. Danke dafür Irmgard- danke für deine Geduld, deine Kompetenz und deine Unterstützung auf meinem „Weg zum Leben“.
Alles Liebe
Christina