Die Dunkelheit holt mich ein- „Das Gefängnis meiner Gedanken“
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Freundschaft

Ich war gestern mit einigen Freundinnen, von denen ich viele schon seit einer Kindheit kenne essen. Es war wieder einmal ein wunderschöner und abwechslungsreicher Abend mit viel Gelächter und interessanten Themen. Anschließend haben wir den Abend dann in einer Bar in der Nähe ausklingen lassen. Bereits auf dem Weg nachhause, aber speziell vor dem Einschlafen habe ich dann darüber nachgedacht, was diese Freundschaft für mich bedeutet beziehungsweise was Freundschaft allgemein für mich bedeutet…

Was ist für mich eine „wahre“ Freundschaft!?  Freundschaft ist für mich jemand der immer für mich da ist und mir das Gefühl gibt jederzeit willkommen zu sein, der aber auch akzeptiert, wenn man einmal nicht so „funktioniert“ wie gewohnt und auch dann zu einem steht und einem den erforderlichen – sogar notwendigen- Freiraum gibt.

Damals in meiner Phase der Dunkelheit war ich wie ich bereits beschrieben habe ein anderer Mensch – eine andere Christina…ich habe mich von einem Tag auf den anderen Tag komplett verändert. Von einer lebensfrohen, glücklichen und stets gut gelaunten Christina habe ich mich in jemanden „verwandelt“ der niemanden an sich ran lassen wollte, niemanden sehen wollte und erst Recht kein Interesse daran hatte mich mit Freundinnen zum Essen oder anderen Aktivitäten zu verabreden. Natürlich haben meine Freundinnen meinen Rückzug zuerst nicht verstanden und waren ratlos, denn trotz all ihrer Bemühungen Kontakt zu mir aufzunehmen fanden sie keinen Weg mich aus meinem „Gefängnis“ zu befreien.

Wie ich bereits in einem anderen Beitrag beschrieben habe („Der Schleier des Vergessens“) kann ich mich an vieles aus dieser Zeit der tiefen Depression nicht erinnern – unter anderem die Versuche meiner Freundinnen einen Weg zu mir zu finden beziehungsweise für mich da zu sein und mich zu unterstützen. Ich kann deshalb nur ein paar Ereignisse rekonstruieren, welche mir ein paar Freundinnen oder meine Familie geschildert haben. Einzelne Geschichten, die mich bewegt haben möchte ich heute mit euch teilen. Es gab in dieser Zeit viele, die über Telefon oder SMS, aber auch durch persönliche Besuche bei mir zuhause oder in der Klinik versucht haben einen Weg zu mir zu finden- doch leider vergeblich.

Eine sehr gute Freundin von mir hat öfters mit mir telefoniert und sie hat mir geschildert, dass egal was und wie sie etwas gesagt hat sie immer das Gefühl hatte, dass die Gespräche, die wir geführt haben nie wirklich zu mir durchgedrungen sind…. Ich habe ihr zwar geantwortet, doch meine Aussagen haben sich ständig wiederholt und meinen Gedanken sind ständig nur um meine Krankheit und meinen Wunsch „auszubrechen“ und meinem Leben ein Ende zu setzen gekreist. In einem Gespräch, welches ich mit ihr nach dieser Phase geführt habe hat sie mir anvertraut, dass sie mich sogar einmal während eines unserer Telefonate „angeschrien“ hat und versucht hat mich so zu erreichen- doch ich habe einfach reagiert wie immer und es gar nicht wahrgenommen. Sie war sehr kreativ aber auch sie fand keinen Weg zu mir und musste mit der Zeit einsehen, dass es hoffnungslos war- ich war in meiner eigenen Welt gefangen – einer Welt in der niemand anders Zugang hatte und ich auch niemanden anders in diese Welt lassen wollte, da ich das Gefühl hatte, dass mich sowieso niemand versteht und auch niemand mir helfen kann. Dieselbe Freundin ist mit mir während eines Klinikaufenthaltes in Rankweil essen gegangen und hat sich dort keine Sekunde getraut mich aus den Augen zu lassen, da sie ständig Angst hatte, dass ich „abhauen“ könnte,, weil sie wusste, dass ich mich in der Klinik nicht wohl gefühlt habe. Als sie mich anschließend zurück gebracht hat habe ich sie im Auto noch darum gebeten mir etwas zu versprechen. Sie hatte natürlich Angst, dass diese Bitte etwas mit meinen Gedanken auszubrechen beziehungsweise meinem Leben ein Ende zu setzen zu tun hat, aber trotzdem hat sie zugestimmt meine Bitte anzuhören. Und was war die Bitte!? Ich habe sie darum gebeten, dass sie, wenn es mir besser geht und ich wieder in der Lage bin nachhause zu gehen , kochen beibringt (an dieser Stelle sei gesagt, dass mich mein Perfektionismus, was meine Kochkünste angeht leider im Stich gelassen hat ;-)). Heute können wir beide über diese Anekdoten aus dieser Zeit lachen, doch während dieser Phase der Dunkelheit war es für uns beide alles andere als lustig.

Auch allen anderen Freundinnen, die immer wieder versucht haben Kontakt zu mir aufzunehmen habe ich einen Korb gegeben oder habe mich trotzdem ich es versprochen habe nie bei ihnen gemeldet. Ich denke, dass ich instinktiv nicht wollte, dass sie mich so sehen, dass sie sehen, dass ich krank bin und habe mich sehr dafür geschämt, dass ich nicht mehr die Freundin – die Christina- war, die sie kannten. Erst als ich wieder auf dem Weg der Besserung war beziehungsweise das Gefühl hatte wieder „gesellschaftsfähig“ zu sein habe ich mich bei ihnen gemeldet und mich wieder mit ihnen getroffen… Nach und nach habe ich allen die Geschichte beziehungsweise die Ereignisse dieser dunklen Zeit geschildert und war wirklich sehr positiv überrascht, dass alle mich wieder in ihren Freundeskreis aufgenommen haben, ohne mich für meine Krankheit zu verurteilen. Sie haben alle gemeint, dass sie es sehr schade gefunden haben, dass ich mich so zurückgezogen habe, dass sie es aber akzeptiert haben und jetzt froh sind, dass es mir wieder besser geht… und das ist das wofür ich ihnen unheimlich dankbar bin… Sie haben mir nie das Gefühl gegeben, dass sie enttäuscht oder gar verletzt sind, weil ich mich für einen längeren Zeitraum quasi aus unserer Freundschaft zurückgezogen habe, ganz im Gegenteil sogar, sie waren alle wieder da, als ich wieder zurück in mein Leben gekommen bin. Was für mich auch sehr interessant und wichtig war ist, dass mir viele gesagt haben, dass es für sie sehr wichtig war und auch einiges erleichtert hat, dass ich in Gesprächen mit ihnen so offen über meine Krankheit und die Ereignisse geredet habe, das sie anfangs nicht wussten, wie sie am besten damit umgehen sollen.

Ich denke, dass egal nach oder während welcher Krankheit – insbesondere bei psychischen Erkrankungen- viele nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, beziehungsweise was sie fragen dürfen und was nicht und ob die oder der Betroffenen überhaupt über dieses Thema reden sollen. Es ist für beide, für die/den Betroffenen und das Gegenüber oft nicht leicht die Situation einzuschätzen und das Gespräch so führen zu können, dass keiner der beiden „überfordert“ ist. Ich aus meiner Erfahrung kann nur sagen, dass für mich der Weg der Offenheit und Ehrlichkeit der Beste war und ich diesbezüglich von meinen Freundinnen auch viele positive Rückmeldungen bekommen habe.

Was ich dabei aber noch sagen möchte ist, dass ich meinem Gegenüber immer versuche die Möglichkeit zu geben das Gespräch zu stoppen oder in eine andere Richtung zu lenken, falls ihm/ihr die Erzählungen aus dieser Zeit zu heftig sind. Es gibt auch einzelne Freundinnen, die meine Geschichte und Erlebnisse aus dieser Zeit nicht hören möchten und das ist ebenfalls okay für micht. Das bedeutet Freundschaft für mich – füreinander da zu sein – einem das Gefühl zu geben , dass man immer auf ihn zählen kann, aber auch zu akzeptieren, wenn der andere/die andere sich zurückzieht und darauf zu vertrauen, dass er/sie früher oder später wieder zurückkommt. Ich bin unglaublich dankbar dafür, dass ich solche Freunde/Freundinnen habe, die für mich genau das verkörpern und leben, was ich „wahre“ Freundschaft nenne und möchte mich auf diesem Weg bei allen bedanken, die vielleicht vergeblich versucht haben mich in dieser Zeit der Dunkelheit und Abwesenheit zu unterstützen und trotzdem nach wie vor meine Freunde/Freundinnen sind ….

Es ist so schön, dass es euch gibt und ich bin für euch da, so wie ihr für mich da gewesen seid und es auch jetzt seid….

Eure Christina